Tamil
Die tamilische Sprache, das Tamil, gehört zur Gruppe der drawidischen Sprachen, die nicht mit den indoarischen Sprachen in Nord- und Mittelindien verwandt sind.
Schrift
Sie wird in der tamilischen Schrift geschrieben. Der tamilische Wortschatz wurde aufgrund nationalistischer Bestrebungen in Tamil Nadu vom Großteil der einst vorhandenen Entlehnungen aus den indoarischen Sprachen befreit und unterscheidet sich dadurch von den anderen drawidischen Sprachen. Zudem kann Tamil auf eine mindestens 2000-jährige Literaturgeschichte zurückblicken, und Alt-Tamil wurde im übrigen 2005 von der indischen Regierung offiziell als bisher einzige klassische Sprache Indiens anerkannt.
Tamilisch ist eine Amtssprache in:
- Indien, wo es vor allem im Bundesstaat Tamil Nadu gesprochen wird.
- Sri Lanka, wo es von der tamilischen Minderheit gesprochen wird.
- Singapur, wo es von der Mehrheit des indischstämmigen Bevölkerungsanteils gesprochen wird.
In Sri Lanka, wird es seit langer Zeit an der Nord- und Ostküste sowie seit dem 19. Jahrhundert durch die Einwanderung von Teepflückern (Indien) auch im zentralen Bergland gesprochen.
In Malaysia und in Singapur wird es von einem Teil der indischstämmigen Minderheit gesprochen. Auch im Süden Kenias wird es von einem Teil der Bevölkerung gesprochen.
Historie
Tamil hat eine über zweitausendjährige Sprachgeschichte, die in drei Perioden eingeteilt wird: Alt-Tamil (300 v. Chr. – 700 n. Chr.), Mittel-Tamil (700–1600) und modernes Tamil (seit 1600).
Die Vorgeschichte des Tamil liegt weitgehend im Dunkeln, da ungeklärt ist, ob die dravidischen Sprachen in Indien autochthon sind, oder ob sie in prähistorischer Zeit von außerhalb auf den Subkontinent gelangten. Die unter den tamilischen Nationalisten populäre Vorstellung, die Tamilen stammten vom versunkenen Kontinent Kumarikkandam, muss dagegen als rein legendär gelten. Auch die Etymologie des Namens „Tamil“ ist unklar. Vorgeschlagen werden unter anderem Herleitungen von taku „geeignet, angemessen“, von tāmarai „Lotus“ und von *tam-miḻ „eigene Sprache“.
Die geschichtliche Phase des Tamil beginnt mit den ältesten bekannten Sprachzeugnissen, Steininschriften aus dem Jahr 254 v. Chr., die in einer speziellen Form der Brahmi-Schrift abgefasst sind. Das älteste bekannte Werk der tamilischen Literatur, das Grammatikwerk Tolkappiyam, wird meist auf die Zeit um 100 oder 200 v. Chr. datiert. Das Tolkappiyam ist ebenso wie die in den ersten Jahrhunderten n. Chr. entstandenen Liebes- und Heldendichtungen der Sangam-Literatur auf Alt-Tamil verfasst. Diese Sprachform zeichnet sich durch den häufigen Verzicht auf Endungen aus und ist für heutige Tamilen nicht ohne weiteres verständlich.
Schon in den ältesten Sprachschichten des Tamil finden sich, wenn auch nur vereinzelt, Lehnwörter aus dem Sanskrit und den mittelindischen Prakrit-Sprachen. Ab dem 7. Jahrhundert nahm der Einfluss des Sanskrit im Zuge der fortschreitenden kulturellen Beeinflussung der tamilischen Gebiete durch die arische Kultur Nordindiens spürbar zu und erreichte um das Jahr 1000 seinen Höhepunkt. Immer mehr Sanskrit-Wörter fanden ihren Weg ins Tamil. Vor allem in der religiösen Literatur wurde zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert sogar eine regelrechte Mischsprache aus Sanskrit und Tamil (als maṇippiravāḷam bezeichnet) populär. Die Beeinflussung durch das Sanskrit war im Tamil aber nie so stark wie in den anderen dravidischen Literatursprachen. Anders als diese übernahm das Tamil nicht die stimmhaften und aspirierten Laute des Sanskrit in sein Lautsystem, sondern passte die Lehnwörter weitgehend an die tamilische Phonologie an. Auch genoss das sanskritisierte Tamil nicht automatisch ein höheres Prestige, sondern blieb nur ein Stil, der neben dem „reinen“ Tamil existierte.
Anfang des 20. Jahrhunderts bildete sich in Tamil Nadu unter Führung von E. V. Ramasami die tamilisch-nationalistische „Dravidische Bewegung“ heraus, die für einen unabhängigen Dravidenstaat und gegen die gesellschaftliche Dominanz der Brahmanenkaste eintrat. Zur gleichen Zeit hoben Spekulationen um einen möglichen dravidischen Ursprung der kürzlich entdeckten Indus-Kultur und die Wiederentdeckung einer großen Zahl von in Vergessenheit geratenen Werken der Sangam-Literatur das kulturelle und sprachliche Selbstbewusstsein der Tamilen. In diesem Klima entstand die sprachpuristische Tanittamil-Iyakkam(„Reines-Tamil-Bewegung“), die eine „Bereinigung“ des Tamil von Sanskrit-Einflüssen anstrebte. Unter ihrem Einfluss wurde ein Großteil der Sanskrit-Lehnwörter durch tamilische Wörter ersetzt. Der tamilische Sprachnationalismus richtete sich auch gegen den nach der indischen Unabhängigkeit wachsenden Einfluss der nordindischen Sprache Hindi. Als die indische Zentralregierung 1965 versuchte, Hindi als alleinige Nationalsprache einzuführen, kam es in Tamil Nadu zu mitunter gewaltsamen Protesten, bis hin zur Selbstverbrennung eines Aktivisten der DMK-Partei.
Im Jahr 2004 verlieh die indische Regierung Tamil offiziell den Status einer klassischen Sprache. Neben dem Tamil haben noch Sanskrit, Kannada und Telugu diesen Status erhalten.